Über 200 Gäste aus ganz Europa begrüßte der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) anlässlich seines Europa-Symposiums in Berlin. Mit Blick auf die bevorstehenden Europawahlen fordern Waldbesitz und politische Entscheidungsträger einen Kurswechsel von der europäischen Politik. Hierzu gehören in besonderem Maße die Anerkennung der Rechte der Waldeigentümer sowie die Berücksichtigung der verschiedenen Nutzungsansprüche an den Wald als feste Bestandteile nachhaltiger, multifunktionaler Forstwirtschaft.

Berlin, 18. Januar 2023 – DFWR-Präsident Georg Schirmbeck eröffnete die Veranstaltung mit einem klaren Statement: „Erst die nachhaltige Forstwirtschaft in Deutschland und bei unseren europäischen Freunden, die durch in Generationen denkende Waldbesitzer und hochqualifizierte Forstleute betrieben wird, haben unsere Ökosysteme wertvoll und artenreich gemacht. Die Herausforderungen im Klimawandel können wir Forstleute meistern. Dies erfordert aber politische Wertschätzung. Das politische Misstrauen, welches Nutzern im ländlichen Raum in dieser Legislatur durch das Europäische Parlament und zunehmend durch die Bundesregierung entgegenschlägt, schadet nicht nur unseren Wäldern. Eine Politik, die im Ergebnis zu Bevormundung und Vernachlässigung des ländlichen Raumes führt, schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, den wir derzeit in Europa dringender denn je brauchen. Lassen Sie uns gemeinsam Wege finden!“Schirmbeck betonte weiter, dass ein umwelt- und ressourcenschonender Umgang mit dem Wald integraler Bestandteil der Forstwirtschaft sei. Debatten müssten künftig versachlicht und EU-Regularien zusammen mit den Landnutzenden gedacht werden.

Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, begrüßte die Gäste im BMEL-Konferenzzentrum und gab einen Überblick über die waldpolitischen Bestrebungen auf Bundesebene. Sie verteidigte die derzeit heftig umstrittene Umsetzung der EUDR sowie die Novellierung des Bundeswaldgesetzes als wichtige Grundlage für klimaangepasste Wälder und naturnahe Bewirtschaftung. Sie warb für einen verstärkten gemeinsamen Einsatz für die Forstwirtschaft in Europa: „Unsere Wälder enden nicht an den Staatsgrenzen. Unsere Bemühungen zur Erhaltung unserer Wälder dürfen deshalb auch nicht an Staatsgrenzen enden. Aus diesem Grunde ist ein europäischer Ansatz zum Schutz unserer Wälder grundsätzlich begrüßenswert. Entscheidungen der EU zum Erhalt und zur Anpassung unserer Wälder müssen jedoch die regionalen Besonderheiten und vor allem die bereits bestehenden Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten berücksichtigen.“

Dr. Wolfgang Burtscher, Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission, sprach sich in seiner Festrede klar für die Verankerung und Stärkung der Forstpolitik in der Generaldirektion Landwirtschaft aus. So berichtete er über die enge Verflechtung zwischen Land- und Forstwirtschaft. Allein in Deutschland besitzen rund 140.000 landwirtschaftliche Betriebe zugleich Wald – oftmals bäuerlich kleinstrukturiert. Dies entspricht etwa 25 % der Privatwaldfläche. Burtscher verdeutlichte: „Klimawandel und Verlust der Biodiversität sind auch eine Herausforderung für unsere Wälder, der wir dringend begegnen müssen. Wir dürfen darüber aber die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Wälder, insbesondere für den ländlichen Raum, nicht vergessen und müssen daher ökologische, ökonomische und soziale Aspekte in Einklang bringen.“

Eine besondere Freude war es, den ungarischen Staatssekretär des Agrarministerium Ungarns Dr. Zsolt Feldman zu begrüßen. Ab Juli wird Ungarn den Vorsitz der Ratspräsidentschaft innehaben. Feldman solidarisierte sich mit den derzeitigen Protesten des ländlichen Raumes in Deutschland und spannte in seiner Rede den Bogen zur Lage in der Forstwirtschaft. Er betonte, dass das Gleichgewicht zwischen der Bewahrung der geschaffenen Welt, der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirte und der Sicherstellung der Versorgung der EU mit heimischen und hochwertigen Rohstoffen nicht gestört werden dürfe. „Die Rolle der Wälder wird in unserer sich wandelnden Welt immer wichtiger. Die Fläche der ungarischen Wälder nimmt, anders als in vielen Ländern der Welt, dank der Entwicklungspolitik Ungarns ständig zu. In unserer Verfassung ist das Waldeigentum als nationaler Schatz verankert. Darüber hinaus hat unsere Regierung in den letzten vier Regierungsperioden mehrere Programme eingeführt, die darauf abzielen, den Anteil der Wälder zu erhöhen. Ich bin zuversichtlich, dass wir durch Zusammenarbeit und gemeinsame Anstrengungen zwischen unseren Ländern und innerhalb der Europäischen Union diese herausragende natürliche Ressource nicht nur schützen, sondern auch entwickeln können, so dass ihre ökologischen, wirtschaftlichen und Erholungsleistungen auch unseren Kindern zugutekommen können“, so der Staatssekretär.

Norbert Totschnig, österreichischer Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, unterstrich die enge Verbundenheit zwischen den Waldländern Deutschland und Österreich. In seinen Ausführungen zu Schwerpunkten in der Forstwirtschaft berichtete er über das Bündnis „For Forest Group“ der waldreichen Länder Finnland, Schweden, Slowenien und Österreich. Deutschland ist bisher nicht dieser Allianz beigetreten. „Der Green Deal hat nur Zukunft, wenn die Vorgaben umsetzbar und realistisch sind. Oberstes Ziel muss auch weiterhin die aktive Waldbewirtschaftung sein. Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft ist seit jeher unser Erfolgsrezept und macht uns international konkurrenzfähig. Dabei wollen wir die Leistungsfähigkeit des Sektors stärken, denn der Wald ist viel mehr als eine Kohlenstoffsenke. Die Forst- und Holzwirtschaft bietet alternative Rohstoffe für den Bau- und Energiesektor, ist wichtiger Motor für attraktive ländliche Räume und sichert Arbeitsplätze. Allein in Österreich sind rund 320.000 Menschen entlang der Wertschöpfungskette Forst-Holz beschäftigt. Künftige EU-Vorhaben, die in die Forstpolitik eingreifen, müssen regionale Besonderheiten berücksichtigen und das Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums vor Augen halten“, so Totschnig.

In einem anschließenden Panel diskutierten politische Entscheidungsträger sowie führende Vertreter aus Waldbesitz und Naturschutz über die Zukunft des Green Deal und den wirtschaftlichen und politischen Handlungsbedarf in Zukunft.

Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident Deutscher Naturschutzring (DNR), warb für stabile Rahmenbedingungen und nachhaltigen Umgang mit Energie und stofflichen Ressourcen, um Wälder im Klimawandel widerstandsfähiger zu machen. „Europa muss den Weg des Green Deal weiter beschreiten, um unsere Waldökosysteme im Klimawandel zu erhalten und wiederherzustellen. Nur intakte Ökosysteme bieten uns eine verlässliche Lebens- und Wirtschaftsgrundlage. Hierfür brauchen wir auch dauerhafte finanzielle Anreizsysteme, die die Ökosystemleistungen von Wäldern noch stärker in den Blick nehmen“, betonte Prof. Dr. Niebert.

Der Präsident des Europäischen Waldbesitzerverbandes CEPF Sven-Erik Hammar bekräftigte die Bedeutung der Zuständigkeit in den Ländern. Das Subsidiaritätsprinzip innerhalb der Europäischen Union und vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Voraussetzungen müsste für klimastabile Wälder beachtet werden. „Die Wälder in der EU sind ebenso vielfältig wie ihre Eigentümer und Bewirtschaftungspraktiken. Die Waldbesitzer sind am besten in der Lage, die Komplexität der Wälder zu verstehen und auf der Grundlage der für die Forstwirtschaft geltenden nationalen und regionalen Rechtsvorschriften Prioritäten für die Bewirtschaftung zu setzen. Deshalb kann es in der EU-Politik keine Einheitsgröße geben“, so Hammar. Positiv hob er den starken Zusammenhalt der forstlichen Interessenvertretungen in der EU hervor.

Der sächsische Staatsminister für Regionalentwicklung Thomas Schmidt, zugleich auch Mitglied im Europäischen Ausschuss für Regionen (AdR), verdeutlichte die Bedeutung der multifunktionalen Forstwirtschaft als Wirtschafts- und Jobmotor im ländlichen Raum. Diesen Motor gelte es weiterhin zu unterstützen. Zudem sei Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft ein moderner, innovativer, nachwachsender und klimafreundlicher Baustoff. „Wir müssen den Rohstoff Holz noch stärker zum Bauen nutzen, um die gesetzten Klimaziele in Sachsen, Deutschland und Europa zu erreichen. Deshalb haben wir im Freistaat vor einigen Jahren eine Holzbauinitiative gestartet mit dem Ziel, die Holzbauquote zu erhöhen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, betonte Staatsminister Schmidt.

Jutta Paulus, Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen, verteidigte das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das in Kürze durch das Europäische Parlament verabschiedet werden soll: „Wälder sind komplexe und wertvolle Ökosysteme, während Nadelholzplantagen allenfalls Holzlieferanten darstellen. Unsere europäische Forstwirtschaft muss dringend nachhaltiger werden, wenn sie in der Klima- und Biodiversitätskrise bestehen will.“

DFWR-Präsident Schirmbeck bedankte sich bei allen Impulsgebern und Gästen. Die Bedeutung der Wälder, Waldbesitzer und Forstwirtschaft in Europa zeige sich auch an der Teilnahme von mehr als 200 Botschaftern, Abgeordneten, Wissenschaftlern und Vertretern aus Verwaltung, Forst- und Holzwirtschaft, die in Berlin aus zahlreichen europäischen Ländern zusammengekommen waren. Schirmbeck schloss die Veranstaltung: „Beinahe jeden Tag bringt der Regierungsapparat in Brüssel und Berlin neue bürokratische und teilweise völlig abwegige gesetzliche Regelungen hervor. Gleichzeitig werden im internationalen Wettbewerb wichtige finanzielle Unterstützungen zusammengestrichen. Diese Fehlentwicklungen führen zum Verlust von Arbeitsplätzen, zu Schädigungen der gesamten Volkswirtschaft und spalten den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir brauchen ein Belastungsmoratorium für den ländlichen Raum als entscheidende Säule einer wichtigen Reformpolitik in Europa und Deutschland. Das ist ein kostenloses Konjunkturpaket für die gesamte Wertschöpfungskette!

Das EU-Symposium des DFWR findet jährlich statt mit dem Ziel, den gemeinsamen Dialog über nachhaltige Waldbewirtschaftung in den europäischen Ländern zu vertiefen.

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